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Backnanger Kreiszeitung 14.08.2013
Mit dem Wasserrollstuhl durch tiefen Sand
Behinderte Menschen können seit gestern am Aichstrutsee die problematische Uferzone
ganz einfach überwinden
Herrlicher Sonnenschein, perfekte Temperaturen, ein idyllischer See. Was liegt da
näher, als baden zu gehen? Für Rollstuhlfahrer ist das nicht so einfach. Sie müssen erst
einmal durch die unbefestigte Uferzone ins Wasser kommen. Im Falle des Aichstrutsees
ist dieses Problem gelöst. Seit gestern gibt es dort offiziell den ersten Wasserrollstuhl.
Schwerelos im Wasser: Kurt Pfeiffer hat endlich die Chance, auch in den See zu kommen.
Dank des Wasserrollstuhls, den Uli Finke schiebt.
Von Matthias Nothstein
WELZHEIM. Schon für gesunde Menschen ist Schwimmen eine Wohltat. Um wie viel mehr
müssen es wohl Menschen genießen, die im Rollstuhl sitzen und eine eingeschränkte
Körperwahrnehmung haben? Wenn solch gehandicapte Menschen bislang einen Badesee
besuchten, standen sie vor der Frage: Wie komme ich ins Wasser? Dank des gemeinsamen
Projekts der Rollstuhlsportgruppe (RSG) Welzheimer Wald und der Stadt Welzheim ist das
Problem keines mehr. Die Initiatoren haben sich dafür eingesetzt, dass ein Wasserrollstuhl
angeschafft wurde. Er ist ausgestattet mit dicken Ballonreifen und kann im Sand nicht
einsinken. Für eine Begleitperson ist es ein Leichtes, das Gefährt samt Insasse selbst durch
tiefen Sand und die problematische Uferzone ins Wasser zu schieben. Und ist das Gespann
erst einmal im kühlen Nass, dann können sich auch Behinderte ganz anders bewegen.
Finanziert wurde das knapp 2000 Euro teure Gefährt von mehreren Sponsoren. So schoss die
Bürgerstiftung Welzheimer Wald 1000 Euro bei. Auch das Sanitätshaus
Aspacher&Klotzbücher beteiligte sich finanziell, ebenso der Verein für Behinderte
Schorndorf. Die beiden Motoren des Projekts – so würdigte der zweite RSG-Vorsitzende
Wolfgang Schwenk in seiner Ansprache – waren Stadtplaner Uli Finke und Günter Bonnet
von der Rollstuhlsportgruppe. Die Stadt war auf den Verein zugekommen, damit dieser den
Aichstrutsee unter die Lupe nimmt. Alles unter dem Vorzeichen barrierearmer Badesee.
Zuvor schon hat die Stadt einiges gemacht, um die Hürden für Behinderte zu beseitigen.
Bürgermeister Thomas Bernlöhr sagte gestern bei der Übergabe, die Stadt habe in den
vergangenen Jahren über 200000 Euro zur Steigerung der Attraktivität des Sees investiert. So
gibt es bereits einen barrierefreien Rundweg. Noch ist dieser gesplittet, in nächster Zeit erhält
der Weg eine Asphaltschicht. Auch wurden zwei Aussichtsplattformen angelegt. Und eine
Sandbucht, zu der ein breiter, flacher Brettersteg hinabführt. Er ist das Herzstück der Anlage.
Hier können Behinderte ohne große Probleme ans Wasser kommen. Aber mit einem
konventionellen Rollstuhl können sie den Sand nicht befahren. Und wenn doch, so kann das
Gefährt kaputt gehen.
Kurt Pfeiffer und Uli Finke haben den Wasserrollstuhl gestern gleich eingeweiht. Zwar war es
etwas kühl und windig, aber diesen Spaß ließen sich die beiden nicht nehmen. Finke schob,
Pfeiffer genoss. Simon Maier vom Kreisjugendring Rems-Murr, selbst Rollifahrer, kündigte
gleich an, „das werde ich auch mal ausprobieren“. Für ihn ist es eine wunderbare Sache,
zusammen mit Nichtbehinderten schwimmen gehen zu können, das ist gelebte Inklusion. So
gibt es viele Kleinkinder, die im Sand buddeln. „Die sind schon da. Und jetzt kommen wir
dazu. Die Kinder sind es nicht gewohnt, Behinderte zu sehen und mit ihnen umzugehen.
Künftig wird es total normal sein, dass Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam ihre
Freizeit verbringen.“ Auch Heidi Simon kündigt an, mit den ihr Anvertrauten den Rollstuhl
häufig zu nutzen. Sie ist Leiterin des Heims, das der Verein für Behinderte in Steinenberg
betreibt. 58 Bewohner leben schon dort. Eben wird angebaut, es kommen nochmals 18 Betten
dazu. Simon: „Für unsere Leute ist das super. Sie haben eine ganz andere
Körperwahrnehmung und sind viel leichter. Im Rollstuhl können sie sich zum Teil gar nicht
bewegen. Für viele ist es traumhaft, ins Wasser zu kommen.“
Das Ausleihprozedere ist einfach. Interessenten können sich am Kiosk melden. Sie tragen sich
in eine Liste ein, legen den Behindertenausweis vor und schon geht’s los. Gebühr ist keine
fällig. Vorgeschrieben ist allerdings eine Begleitperson.
Foto G.Bonnet Rollstuhlsportgruppe